Du bist Gold.
Rheinland-Pfalz hat Ferien, und auch Hessen und die meisten anderen deutschen Bundesländer befinden sich im Urlaub- und Spaßmodus. Ich könnte einen Blogbericht über Schulen, Noten und Zeugnisse verfassen, doch ein anderes Thema drückt zur Zeit mehr: das der Härte gegen sich selbst. Und da spielen Schule und Noten ebenfalls eine Rolle.
In unserem Bildungssystem sind wir langsam dabei, den strikten Gehorsam und Frontalunterricht, Bewertungen mit Noten und Kommentaren, die Förderung von „the cool kids“ durch entwürdigende Mannschafts-Wahl-Arten oder den Ausschluss bei der Bildergalerie „die schönsten Werke des Schuljahres“ durch ein gleichwürdigeres Miteinander von Lehrern mit ihren Schülern zu ersetzen. Auch Eltern sind interessiert wie nie, es ihren Kindern nicht nur an Materiellem nicht mangeln zu lassen, sondern eine stabile, lebendige und liebevolle Beziehung zu gestalten, die auch schwierigen Zeiten standhält.
Was aber machen Menschen, deren Großzahl an Führungskräften in ihren prägenden Jahren genau so drauf waren? Eltern, die so große Zukunftsängste um ihre Kinder hatten, dass jede schlechte Note sanktioniert wurde. Die ihren Kindern zwar viel zumuteten aber nichts zutrauten. Lehrer, die ihren Stoff durchbringen wollten und keine anderen Mittel zur Unterrichtsgestaltung hatten als die, die sie selbst als Schüler kennen gelernt haben. Die Reflektion und Persönlichkeitsentwicklung als Schwäche begreifen lernten. Schließlich ist ein Lehrer unantastbar und hat einfach alles zu wissen. Ärzte und Therapeuten, die ihren Fachbereich kannten, aber keinen ganzheitlichen Blick auf das menschliche System „Ernährung, Bewegung, Lebenswandel und Umfeld“ in ihre Diagnosen einbezogen.
Heranwachsende, deren erwachsenes Umfeld fast ausschließlich aus solchen Führungskräften bestand, haben in der Regel ein niedriges Selbstwertgefühl. Sie halten sich für nicht selbstwirksam. Für Versager, die nichts auf die Reihe kriegen. Für Menschen, die bestimmte Dinge einfach nie schaffen werden. Eine Familie gründen, ein guter Partner sein, einen erfüllenden Beruf ausüben. Diese Gedanken werden schließlich zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Dinge die sie anpacken, gehen sie mit zittrigen Händen an. Und schon geht es schief. Sie sehen ihre inneren, destruktiven Dialoge bestätigt, die vor Jahren erst mal nur „gut gemeinte Anstöße“ von außen waren. Manche Menschen haben über eine so lange Zeit kein Netz an Fürsprechern, dass sie den Glauben an sich vollständig verlieren. Um wenigstens etwas Freude zu haben und gleichzeitig der Härte gegen sich einen tieferen Ausdruck zu verleihen, greifen sie zu Drogen.
Meist beginnt es mit übermäßigem Alkoholkonsum oder Marihuana, steigert sich allerdings bei ausbleibenden Erfolgserlebnissen – was bei übermäßigem Konsum dieser beiden Einsteigerdrogen wahrscheinlich ist – nicht selten hin zu Stoffen, von denen der Mensch immer schwerer loskommt. Irgendwann glaubt der Körper tatsächlich: ohne das Mittel X kann ich nichts und bin ich nichts. Jedes Weglassen (Entzug oder Ausbleiben einer Dosis) der Substanz versetzt den Körper, der wirklich glaubt ohne die Substanz zu Grunde zu gehen, in Panik (Entzugserscheinungen). Was zu Beschaffungskriminalität und steigender Härte gegen sich selbst (Prostitution etc.) führen kann, da dieser Zustand unglaublich beängstigend ist.
Diese Abwärtsspirale ist für jedes Suchtverhalten möglich. Die Verläufe und Enden sind alles, was sich unterscheidet. Sie gilt für die Sucht nach Arbeit, Essen, Nicht-Essen, Medien, Sport, Shoppen, Sex… Der Körper wird über einen langen Zeitraum hinweg neu programmiert. Wertvoll-Fühl-Mittel X.
Wenn sich diese Aggression und Enttäuschung nicht gegen den Menschen selbst richtet, dann kehrt sie sich nicht selten ins Außen. Aggression statt Autoaggression. Beides erlebt die Welt gerade viel zu viel.
Wir Deutschen sind ein hartes Volk. Hart im Nehmen, aber auch hart im Austeilen. Dabei gehen wir nicht gerade zimperlich mit uns selbst um. Nur so ist es im Übrigen überhaupt möglich, hart anderen gegenüber zu sein. Wir müssen uns bemühen – für uns selbst und alle, die mit uns zu tun haben – liebevolle Dialoge zu führen. Und die beginnen im Mikrokosmos „Ich“.
Es kann helfen den Umgang mit Gefühlen neu zu erlernen. Sich Hilfe zu holen und andere zu unterstützen.
Geben Sie Ihren Kindern (gerne auch Erwachsenen), und jenen mit denen Sie beruflich oder familiär verbunden sind, besonders eines: das Gefühl richtig zu sein. Was sich sehr von dem Diener-Modus unterscheidet, den viele für sich rückgefolgert haben oder der Idee, man müsse alles in Zucker packen und Ärger schlucken. Zeigen Sie, dass es Dinge gibt die Sie mögen (Bedürfnisse) und welche, die Sie nicht mögen (Grenzen).
Leben Sie, dass man seine Schwäche zur Stärke machen kann. Dass ein Mensch nicht alles können kann und MUSS. Dass man den Fokus auf Ressourcen legt, und nicht auf Defizite.
Wir sind alle gut so, wie wir sind.
Mit herzlichen Grüßen zu wunderbaren Urlauben, erholsamen Auszeiten und entspannten Tagen Zuhause,
Ihre Eva Klein